An Gott glauben und die AfD wählen?
Joachim Wörner ist am 26. Mai 2024 in seiner Predigt im Evangelischen Gemeindezentrum Brebach der Frage nachgegangen, ob man an Gott glauben und die AfD wählen kann.
Predigt von Pfarrer Joachim Wörner
Liebe Gemeinde,
der Theologe und Pfarrer Kurt Marti hat die Trinität einmal als „gesellige Gottheit“ beschrieben. Am Sonntag Trinitatis erinnern wir uns, dass sich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist als Schöpfer, Erlöser und Lenker der Herzen offenbart haben. Das wesentliche Kennzeichen ihrer Gemeinschaft ist die Liebe. Echte Liebe ist jedoch keinzwanghaftes Bedürfnis nach Harmonie. Sie setzt vielmehr klare Grenzen und sagt nicht ja, wo ein nein hingehört. Deshalb möchte ich heute den Fokus auf aktuelle Ereignisse legen, die zeigen, dass zur Liebe auch das Nein gehört. Ich stelle die provokative Frage, ob das zusammenpasst: an Gott glauben und die AfD wählen.
Das Grundgesetz
Ausgangspunkt ist ein wichtiger Gedenktag, den wir am Dienstag gefeiert haben: den 75. Jahrestag des Grundgesetzes. Am 23. Mai 1949 trat es als Antwort auf 12 Jahre NS-Diktatur in Kraft. Viele Personen des öffentlichen Lebens weisen in diesen Tagen darauf hin, wie wichtig es ist, dass wir diesen Gedenktag bewusst begehen. Warum? Weil zentrale Aussagen des Grundgesetzes heute in Frage gestellt werden. Im Hintergrund stehen die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate, die viel mit der AfD zu tun haben. Sicher haben Sie gehört, dass es Anfang der Woche zum Paukenschlag kam: Marine Le Pen, Chefin der französischen Partei Rassemblement National, bricht mit der AfD im Europäischen Parlament. Kurz darauf wird der Ausschluss aller AfD-Abgeordneten aus der Fraktion beantragt. Den französischen Rechten sind die Deutschen zu extrem!
Was war passiert? Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl, hatte in einem Interview verharmlosende Aussagen über deutsche Verbrechen im 2. Weltkrieg getätigt: nicht alle SS-Soldaten waren Verbrecher. Man müsse da im Einzelfall entscheiden. Marine Le Pen hat die Nase voll: mit solchen Leuten, die ständig provozieren und
eigenwillige Meinungen vertreten, möchte sie politisch nicht mehr zusammenarbeiten. Auch aus dem Bundesvorstand der AfD fliegt Krah raus und darf nicht mehr bei Europawahlkampfveranstaltungen auftreten. Eine Partei versteckt ihren Spitzenkandidaten vor der Öffentlichkeit! Das hat es so noch nicht gegeben. Doch während sich die Parteispitze distanziert, hat Krah auch jetzt noch großen Rückhalt bei seinen Anhängern, die das offen in den sozialen Medien äußern.
Wenn wir zurückschauen, dann hat die AfD schon lange nichts mehr mit der liberalen Wirtschaftspartei zu tun, die 2013 von Bernd Lucke gegründet wurde. Heute kämpft der Ökonom und Politiker gegen die Partei, die er selbst ins Leben gerufen hat. War die AfD zu Beginn eine Stimme für Wirtschaftsliberale und Konservative, ist sie heute eine Protestpartei und Sammelbecken für Rechtsextreme. Seit 2021 wird sie vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Das wurde kürzlich vom OVG Münster bestätigt.
Genau deshalb stelle ich heute die Frage: „An Gott glauben und die AfD wählen – passt das zusammen?“ Der Titel ist bewusst provokativ gestellt, denn natürlich glauben in unserem Land Menschen an Gott, die der AfD nahestehen. Selbstverständlich wird niemand aus einem Gottesdienst verwiesen, weil er die Partei wählt. Niemand verliert dafür die Mitgliedschaft in einer Kirche. Niemand wird von Pfarrerin oder Pfarrer abgewiesen, wenn er/sie um seelsorgerliche Begleitung bittet. Und doch gibt es eine Grenze, die in den vergangenen Monaten immer deutlicher
hervorgetreten ist. Wer sich für die AfD einsetzt, wer sich in der AfD für politische Ämter aufstellen lässt, der/die kann nicht zugleich für eine Kirchengemeinde tätig sein. Das gilt für Haupt- und Ehrenamtliche.
Drei Beispiele
Drei Beispiele möchte ich aufführen:
1. Im März wurde bekannt, dass in Sachsen-Anhalt ein evangelischer Pfarrer bei den Kommunalwahlen für die AfD antritt. Martin Michaelis ist zwar kein Parteimitglied, möchte sich folglich als Parteiloser für die AfD aufstellen lassen. Daraufhin hat die Ev. Kirche von Mitteldeutschland den Pfarrer von seinen Aufgabenfeld enthoben. Ihm wurde nicht gekündigt, er wurde aber von seinem Dienst suspendiert. Begründet wurde das vom Personaldezernenten Michael Lehmann mit den Worten: „Es ist zwar im Interesse der Kirche, dass sich Pfarrerinnen und Pfarrer politisch engagieren. Dies gilt jedoch nicht für Parteien, die verfassungsrechtlich
fragwürdige Positionen einnehmen.“ Mit seiner Kandidatur unterstützt Pfarrer Michaelis das Gedankengut der AfD. Das ist mit den Ansichten und Grundsätzen der Kirchen nicht vereinbar. Die AfD gerät ja seit dem Geheimtreffen in Potsdam im Herbst 2023 unter Druck, bei dem Ideen zur Remigration thematisiert wurden.
Seitdem das Treffen publik geworden ist, stehen viele Menschen auf und protestieren auf Demonstrationen gegen die Politik der AfD. Auch wir haben uns hier in Saarbrücken diesem Protest angeschlossen und auch in beiden Gemeindebriefen klar dagegen Position bezogen. Seit Potsdam geschieht noch etwas anderes, was in meinen Augen längst überfällig ist: in den politischen Diskussionen wird nicht mehr nur polarisiert, es findet zunehmend eine inhaltliche Auseinandersetzung statt.
Das führt mich zu dem zweiten Beispiel, zu dem saarländischen AfD-Politiker Christoph Schaufert, der viele Jahre Mitglied im Verwaltungsrat der kath. Pfarrei St. Marien in Neunkirchen war. Im April wurde er vom Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg mit der Begründung seines Amtes enthoben, dass Schaufert Vertreter einer Partei sei, die dem christlichen Menschenbild widersprechende Haltungen vertritt. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Kirche. Schaufert reichte daraufhin Beschwerde beim Trierer Bischof Ackermann ein, der diese kürzlich abgewiesen hat. Denn „völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar.“
Darf man der SZ glauben, dann will Schaufert bis nach Rom gehen, um sein Recht einzufordern. Warum? Der AfD-Politiker fühlt sich ungerecht behandelt, da ihm nachweislich persönlich nichts vorgeworfen werden könne. Ist es nicht eine kollektive Bestrafung, wenn man allein wegen der Parteizugehörigkeit bestraft wird, und nicht aufgrund eigener Aussagen oder Handlungen? Die Antwort aus Trier heißt nein. Christoph Schaufert engagiert sich für eine Partei, in der Menschen wie Maximilian Krah mit großer Mehrheit zum Spitzenkandidaten gewählt werden. Als Mandatsträger tritt auch er für ein Denken ein, dass immer weniger mit den Grundsätzen von Demokratie noch dem christlichen Glauben vereinbar ist.
Kommen wir zum dritten Beispiel. Auch die Evangelische Kirche hat inzwischen klare Position bezogen. Rüdiger Schuch ist der neue Chef der Diakonie, die deutschlandweit in Altenheimen, Kindergärten, Krankenhäusern und Behindertenwerkstätten der rund 627.000 Menschen beschäftigt. In einem Interview sagt er deutlich, dass das
menschenfeindliche Weltbild der AfD nicht mit dem christlichen Menschenbild zusammenpasst! Deshalb gilt: „wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen. Wenn AfD-Funktionäre und bekennende AfD-Sympathisanten bei der Diakonie arbeiten, müssen sie mit der Kündigung rechnen.“ Der Diakonie-Chef hat dafür viel Kritik geerntet. Sollte er nicht gerade jetzt Nächstenliebe üben und mit Beharrlichkeit die „verlorene Schafe“ zurückholen? Rüdiger Schuch hält dagegen: „Wer für eine Partei kandidiert oder wirbt, die Hunderttausende Bürger mit Migrationsgeschichte aus dem Land schaffen will, ist kein Schaf, sondern ein Verfassungsfeind. Der/die schutzbedürftige Nächste ist nicht
der AfD-Funktionär oder der AfD-Sympathisant, sondern der Mensch, der in einer Einrichtung der Diakonie betreut wird.“
„An Gott glauben und die AfD wählen – passt das zusammen?“ Die katholische und die evangelische Kirche erklären inzwischen gemeinsam: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“. Deshalb müssen sich gerade Christinnen und Christen die Frage stellen, warum sie sich für eine rechtsextreme Partei engagieren.
Kurt Marti hat die Trinität einst als „gesellige Gottheit“ bezeichnet, deren
Kennzeichen die Liebe ist. Liebe ist aber kein zwanghaftes Bedürfnis nach Harmonie. Sie setzt vielmehr klare Grenzen. Deshalb ist es auch für uns als evangelische Christinnen und Christen wichtig, dass wir klare Kante zeigen und nicht ja sagen, wo ein nein hingehört. Amen
Die Banner
Seit einigen Wochen 2024 hängen Banner an den Kirchen in Schafbrücke, Brebach und Fechingen: BUNT STATT BRAUN. Auch der Gemeindebrief April-Juli 2024 beschäftigt sich damit: Er hat das Schwerpunktthema „Haltung zeigen“.
Am 3. Februar 2024 haben sich die Gemeinden Schafbrücke und Brebach-Fechingen an der Kundgebung des Bündnisses BUNT STATT BRAUN auf dem Ludwigsplatz beteiligt. Viele Gemeindemitglieder trafen sich an der Ludwigskirche am Banner „NEIN UND AMEN. Kirchengemeinden gegen rechts“.
Bunt statt braun. Kirche für Menschenrechte und Demokratie!