Nein und Amen. Christ*innen gegen Rechts.
Jörg Metzinger hat am 26. Mai 2024 darüber gepredigt, weshalb sich Christ*innen gegen rechte Gesinnungen einsetzen müssen. Den Bericht der Saarbrücker Zeitung und die Predigt kann man hier nachlesen.
Predigt von Rundfunkpfarrer Jörg Metzinger
1.
Es gibt Menschen, die sagen: „Religion ist Privatsache. Die Pfarrer sollen vom lieben Gott erzählen und gudd is!“ Es gibt Menschen, die sagen: „Politik ist Privatsache, da soll sich die Kirche als Institution zurück- oder noch besser ganz heraushalten. Und überhaupt: das ganze Elend und der Unfriede kommt von Religionen, die sich in die Politik einmischen!“
Beides ist irgendwie richtig und dann doch wieder völlig falsch – so denke ich. Richtig ist: der Glaube – oder wie ich lieber sage: diese grundsätzliche Haltung des Vertrauens – ist etwas sehr Persönliches, Individuelles, ja Intimes. Und ja, in der Geschichte der Menschheit bis in unsere Gegenwart gab und gibt es Konflikte, Streit und Hass, Kriege, Verfolgungen, die religiös unterfüttert oder religiös überhöht waren und sind.
Die Schlussfolgerung, man könnte die Glaubenshaltung in den privaten Bereich einhegen und davon unbeeindruckt und getrennt das menschliche Zusammenleben gestalten, sich eine Verfassung, Gesetze und Regeln geben – das ist aber falsch. Und führt erst Recht ins Verderben. Konkret: da unterdrücken dann die Starken die Schwachen, da werden Mensch und Natur gnadenlos ausgebeutet, da werden niedrigste Instinkte und Gefühle von den Mächtigen ausgelebt. Auch das ist in der Geschichte der Menschheit oft festzustellen.
2.
Wir sind hier eine Gemeinschaft von Christinnen und Christen. Die sich auf diesen Jesus beruft, der ein besonderes Verhältnis zu dem hatte, was wir „Gott“ nennen. Jesus nennt diesen Gott: Abba – das kann man am besten deutsch widergeben mit: „Pappa“. Das ist ganz nah, ganz persönlich, ganz intim. Die ersten Worte, die ein Kind spricht, sind: Mama oder Papa. Mehr in den Bereich des Glaubens, des Ur-Vertrauens, kann keine Analogie gehen, als zu dem, was wir „Gott“ nennen, „Pappa“ zu sagen.
Aber da ist Jesus nicht stehengeblieben. Sondern er hat vorgelebt, was das heißt: alle Menschen sind Brüder und Schwestern , sind Kinder Gottes. Das Vertrauen in den himmlischen Vater hat Folgen. Nicht nur fürs persönliche, private Leben sondern auch fürs Zusammenleben aller Menschen.
3.
Paulus schreibt im Brief an die Galater:
„Ihr seid alle Kinder Gottes (…) Es spielt keine Rolle mehr, ob ihr Juden seid oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen, Männer oder Frauen.“
Das haben die ersten Christengemeinden damals gelebt – und es war unerhört. Die Gleichheit aller Menschen zu leben und danach zu handeln. Das versuchen Christengemeinden bis heute zu leben. Und damit wird das Private politisch. Gleichheit – heute ein allgemeines Grundrecht jedes Menschen. Viele dieser auch in unserer Verfassung formulierten Grundrechte haben ihren Ursprung in diesem Jesus aus Nazareth. Und überall, wo die Grundrechte des Menschen gewahrt und gefördert werden, geht es den Menschen besser.
Christen sollen sich daran beteiligen, weil Gott seinen Geschöpfen zutraut, dass sie die Welt zum Guten verändern können. Deshalb schweigt die Kirche, schweigen Christinnen und Christen nicht, sondern mischen sich ein. Können gar nicht anders, dürfen gar nicht anders. Die Botschaft von Jesus ist nicht nur heilsam für den Einzelnen sondern tut auch dem Zusammenleben in in einer Stadt gut, in unserem Land, in Europa, ja, der ganzen Welt.
Ich bin sehr froh, dass die Kirchen in unserem Land sich so klar gegen das Erstarken einer Partei stellen, die in Programm und Verhalten, in Reden und taten diese Grundrechte missachten, auszuhebeln versuchen. Gegen die AfD. Wie zum Beispiel der oberste Repräsentant unsrer rheinischen Kirche, Präses Thorsten Latzel, in einem vielbeachteten Instagram-Beitrag und dann auch wieder auf der Landessynode.
Alternative für Deutschland – das ist schon ein korrekter Name. Aber was für eine Alternative! Eine Alternative, die korrupt ist, Despoten hofiert, rassistische, ausgrenzende Politik umsetzen will, die nationalistisch und sogar faschistisch tönt, in Teilen gewaltbereit ist und gewachsene demokratische Strukturen missachtet, ja zerstören möchte.
4.
Es gab mal eine Zeit in Deutschland, da fehlte diese Klarheit den Kirchen, ja, da haben Christengemeinden sich verbündet mit denen, die die Schwachen unterdrückten und andere verfolgten. Die NS-Zeit war eine bittere Lehrstunde für die, die den Glauben zur Privatsache erklärt haben – auch innerkirchlich.
Martin Niemöller, Pfarrer während der Nazi-Zeit, zunächst Anhänger der NS-Bewegung, später eines besseren belehrt Mitglied der Bekennenden Kirche, als KZ-Häftling „persönlicher Gefangener Adolf Hitlers“:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie die Sozialisten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialist.
Als sie die Juden einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Wenn Rechtsextreme heute Ausländer jagen… Politiker im Wahlkampf angreifen… Schwule verprügeln… Obdachlose erschlagen…
5.
Die Opfer rechter Gewalt, das sind oft genau diejenigen sind, für die sich Christen und Christinnen ihrem biblischen Auftrag zufolge besonders einsetzen sollen:
Ausländer waren schon immer willkommene Opfer und Sündenböcke. Im Alten Testament aber waren sie geschützt: „Unterdrückt nicht die Fremden, die in eurem Land leben, sondern behandelt sie genau wie euresgleichen.“ Das war für die Israeliten keine Nebensache, sondern ein theologisch wichtiges Gebot, denn das Schicksal der Ausländer erinnerte sie an ihr eigenes Schicksal als Ausländer in Ägypten.
Rechte Ideologien richten sich gegen alle, die anders denken, aussehen, leben: Homosexuelle, Behinderte, Alleinerziehende, usw. Genau für solche Menschen, die anders waren als die Mehrheit und deshalb ausgegrenzt wurden, ist auch Jesus eingetreten. Wer sich für sie einsetzt, dient Gott damit. Denn im Gleichnis vom Weltrichter heißt es: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ Ebenso heißt es aber auch: „Was ihr an einem von meinen geringsten Brüdern oder an einer von meinen geringsten Schwestern zu tun versäumt habt, das habt ihr an mir versäumt.“ Die Solidarität mit denen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, ist ein christlicher Grundwert.
6.
Was also tun gegen rechte Gesinnung, die in Gewalt und Intoleranz mündet? Viel könnte verhindert werden, wenn mehr Menschen mehr Zivilcourage zeigen würden. Zivilcourage ist nötig, auch wenn sie Mut erfordert. Seinen Namen preiszugeben vor der Kamera, seine Meinung offen zu sagen, an den Stand der AfD zu gehen und laut zu sagen: „Ich finde es unmöglich, für was Sie hier werben!“ An den Demonstrationen für Demokratie teilnehmen. Gott gebe uns den Mut zu dieser Zivilcourage.
Wir müssen unser auch eigenes Denken und Sprechen selbstkritisch überprüfen und sorgfältig mit der Sprache umgehen. Bei Verwandten und Freunden, im Bekanntenkreis ausländer- und randgruppenfeindlichen Aussagen zu widersprechen – das ist nicht einfach. Wer will schon Spaßbremse sein. Aber es hilft nix, da fängt es an, ganz kornkret in der Kantine, am Stammtisch, bei der Tupper-Party oder in der Sauna. Oder eben auf Sylt.
Rechte Gesinnung ist nicht nur ausländerfeindlich – solche Menschen treten auch christliche Grundwerte wie Solidarität, Barmherzigkeit und Nächstenliebe mit Füßen. Diese Werte müssen immer verteidigt werden, vor allem dadurch, dass wir sie selbst vorleben. In Jesus haben wir ein Vorbild, wie wir mit anderen Menschen umgehen sollen. Wir können die Werte, die aus unserem Glauben kommen, mit Gottes Hilfe vorleben und als Gemeinde bzw. Kirche die Gesellschaft aktiv im Sinne Jesu mitgestalten.
Und schließlich: bei Wahlen das Kreuz bei den richtigen Parteien machen. Die demokratischen, Gruppierungen wählen, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen und nicht als gesichert extremistisch eingestuft werden. Und das heißt: für einen Christen, für eine Christin, ist die AfD nicht wählbar. Und ja, ich denke: bekennende Rechtsextreme oder gar Funktionäre der AfD haben in unserer Kirche weder in hauptamtlichen noch ehrenamtlichen Leitungsfunkitonen nichts zu suchen. Deshalb: Chapeau vor den katholischen Geschwistern, die die Zusammenarbeit im Pfarrgemeinderat mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden beendet haben.
Es ist an der Zeit, klar eine Grenze zu ziehen. „Eure Rede sei Ja, Ja, nein, nein“ sagt Jesus. Es ist Zeit Nein zu sagen – und Amen!
Die Banner
Seit einigen Wochen 2024 hängen Banner an den Kirchen in Schafbrücke, Brebach und Fechingen: BUNT STATT BRAUN. Auch der Gemeindebrief April-Juli 2024 beschäftigt sich damit: Er hat das Schwerpunktthema „Haltung zeigen“.
Am 3. Februar 2024 haben sich die Gemeinden Schafbrücke und Brebach-Fechingen an der Kundgebung des Bündnisses BUNT STATT BRAUN auf dem Ludwigsplatz beteiligt. Viele Gemeindemitglieder trafen sich an der Ludwigskirche am Banner „NEIN UND AMEN. Kirchengemeinden gegen rechts“.
Bunt statt braun. Kirche für Menschenrechte und Demokratie!